Mit der Machtübernahme Hitlers und des NS-Regimes ab 1933 gewann die Luftrüstung im Deutschen Reich höchste Priorität.1) Das bedeutete, dass bei der Realisierung der luftrüstungspolitischen Ziele des NS-Regimes auf leistungsstarke Motoren nicht verzichtet werden konnte. BMW besaß seit 1917 die dazu erforderlichen und notwendigen technischen und organisatorischen Fähigkeiten. „Um BMW (..) freiwillig zur Kooperation im Rüstungsgeschäft zu bewegen, sah sich das RLM [Reichsluftfahrtministerium] offenbar veranlasst, auf privatwirtschaftliche Interessen in diesen zentralen Bereichen unternehmerischen Handelns Rücksicht zu nehmen.“ 2) Das NS-Regime sicherte BMW wie allen anderen Luftrüstungsunternehmen hohe Renditen und üppige Gewinne zu. Ob dieses Verhältnis mehr durch „Verführung“ oder „Freiwilligkeit“ gekennzeichnet war, ist vom Ergebnis her unbedeutend. Die „historische Motivforschung“ liefert nur im Nachhinein die von der BMW-Führung vorgebrachten Rechtfertigungsgründe für die Beteiligung der BMW-Firmenleitung an den in der Zeit von 1942 bis 1945 begangenen NS-Verbrechen. 3)

BMW Pachtvertrag Werk II München AllachDie aktive Rolle des Unternehmens erstreckte sich nicht nur auf die Übernahme von Rüstungsaufträgen und die Veränderung des Investitionsverhaltens im Rahmen der ab 1933 ständig zunehmenden Rüstungsproduktion. BMW war vor allem bereit als führendes Großunternehmen die von den NS-Machthabern geforderte Arisierung der Belegschaft durchzuführen sowie ab 1942 im Rahmen der Gewinnmaximierung den Einsatz von Zwangsarbeitern, KZ-Häftlingen und Kriegsgefangenen aktiv zu betreiben. 4)

Auch finanziell stützte das Unternehmen das NS-Regime. Als Kooperationspartner des NS-Terrorstaates und ihrer SS-Vollstrecker trug es zum Funktionieren der wirtschaftlichen, sozialen und militärischen NS-Ordnung bei. BMW agierte innerhalb des NS-Staates weitgehend autark und stieg zum wichtigsten Flugmotorenproduzent der Luftwaffe auf. 5) Die Firma behielt ihre unternehmerischen Entscheidungs- und Handlungsspielräume gegenüber dem NS-Regime und war damit in die Lage, die eigenen Bedingungen über das Mittel der Kooperation mit dem NS-Staat aktiv zu Gunsten des Unternehmens zu gestalten. 6)

Nach Kriegsende lagen zwar Hinweise für eine Verstrickung der damaligen BMW-Führung in NS-Verbrechen vor, wurden jedoch nie ernsthaft verfolgt. Noch in den 1970er Jahren urteilten Münchner Amtsrichter, dass Einweisungen in das Konzentrationslager Dachau wegen „des Anheim fallenlassen an die Sozialhilfe“ und die damit verbundene Zwangsarbeit bei BMW dem geltenden Recht entsprach. Bis in die 1980er Jahre war die Verweigerung von Wiedergutmachungszahlungen für sowjetische Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, Kommunisten, Sinti und Roma, Homosexuelle und als „asozial“ Verfolgte symptomatisch.

Erst als in den 1990er Jahren ehemalige Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge gerichtlich in den USA hohe Schadensersatzzahlungen gegen deutsche Firmen durchgesetzt hatten, änderte sich das Bild. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sah sich nun auch BMW gezwungen, bis dahin zur Unternehmenskultur gehörende Mythen und Vorstellungen über die eigene NS-Geschichte aufzugeben und ein neues faktenbasiertes historisches Selbstverständnis zu entwickeln. Ein wesentlicher Schritt dorthin ist unter Mitarbeit des Autors dieser Dokumentation in der Dauerausstellung im BMW-Museum in München unter dem Titel: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ zu sehen.

Klaus Mai, September 2023

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1) Vgl. dazu: Lorenzen Till, Unternehmerische Handlungsspielräume der Bayerischen Motorenwerke im Flugmotorenbau 1933 - 1940, in: Andreas Häusler Mark Spoerer, Helmuth Trischler, Rüstung, Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit im „Dritten Reich“, Oldenbourg Verlag, München 2010, S. 34, 290 ff.
2) Vgl. ebd., S. 32.
3) So schlug die BMW-Führung im September 1941 den Vertretern des Reichsluftfahrtministeriums (Generalluftzeugmeister Udet und Generalfeldmarschall Erhard Milch - Staatssekretär und Generalinspekteur der Luftwaffe) vor, KZ-Häftlinge aus dem KZ-Dachau als Arbeiter in der Produktion bei BMW einzusetzen.
4) Auf die „Doppelmoral“ der Siegerjustiz kann hier nicht eingegangen werden. Festzustellen bleibt auch hier galt das „Opportunitätsprinzip“ in der alliierten Rechtsprechung. Wer für die Alliierten „nützlich“ war, hatte wegen seiner NS-Vergangenheit wenig zu befürchten.
5) Vgl. dazu: Klaus Mai, Das vergessene KZ, München 2015. Hatte die Zentralstelle zur Verfolgung von Naziverbrechen in Ludwigsburg 1966 nur etwa 25 Morde im KZ-Außenlager Dachau-Allach festgestellt, sind durch Forschungen zwischenzeitlich etwa 1.500 Opfer namentlich nachgewiesen. Das „unternehmerische Handeln“ von BMW war ab 1943 von „Leichenbergen“ begleitet.
6) Vgl. dazu: Jahresbericht 1936 der Wirtschaftsgruppe Luftfahrtindustrie, Abteilung Vertrieb, in: BArch R 13 XXV/3.

 

Letzte Bearbeitung: 15.09.2023, 11:36